
Was bestimmt Deinen Alltag?
Unruhe, Hetze, Stress und Termindruck?
In meiner Praxis begegnen mir immer mehr Menschen, die selbst in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre nicht abschalten können oder wollen. Ob Du es glaubst oder nicht, die heftigste Diskussion hatte ich mit meinen Patienten, als ich meine Praxis zur Handy-freien Zone erklärte. Mit so viel Unmut, Ärger und Zorn, der da über mich hinwegschwappte, hatte ich nicht gerechnet. Auch wenn Achtsamkeit ja in aller Munde ist, leben will sie fast niemand.
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Früher
Ich wollte nie zu den älteren Menschen gehören, die die Vergangenheit verklärten. Meinen Spruch „ja, ja, früher war alles besser, denn früher war alles aus Holz“ bereue ich zutiefst.
Ich erzähle Dir nun von meinen Erfahrungen mit meinen Patienten. Noch vor fünf Jahren saßen die Patienten im Wartezimmer oder im Infusionszimmer nebeneinander und nach einiger Zeit kannten sie sich. Sie kannten ihre Namen, erzählten von ihren Erlebnissen und Sorgen. Sie fragten nach, wenn einer fehlte und sorgten dafür, dass keiner so schnell aufgab. Das hat sich grundlegend geändert!
Das Therapeut-Patienten-Gespräch war ohne Unterbrechung möglich. Gegenseitige Aufmerksamkeit war gesichert.
Vor dem Handyverbot
Kam ich ins Wartezimmer oder Infusionszimmer, traf ich immer häufiger Lebewesen an, die keine Geschichte, keine Interessen, keine Krankheiten aber ein Smartphone vor der Nase hatten. Niemand kannte den anderen, selbst wenn Monate oder manchmal Jahre vergingen, in denen man wöchentlich nebeneinander saß. Verstarb ein Patient, fiel das nur selten auf. Wenn doch, dann wurde nicht darüber gesprochen. Jeder saß und kämpfte für sich. Wurde ein Patient von einer ernsten Erkrankung geheilt, wurde auch das nicht registriert.
Ein Therapeut-Patienten-Gespräch hat sich zu einer echten Herausforderung entwickelt. Jede Nachricht wird mitten im Gespräch angeschaut und jedes Telefongespräch angenommen. Nur ein Bruchteil dessen, was ich dem Patienten mitzuteilen habe wird wirklich erfasst, da die Gedanken ständig abgelenkt sind. Selbst in Gesprächen, in denen ich schlechte Nachrichten überbringen musste, war das nicht anders. Ich möchte gar nicht davon reden, wie unhöflich das ist. Nach dem das Gespräch beendet ist, erwartet der Patient dann, dass ich für Nachfragen dauerhaft und selbstverständlich kostenlos zur Verfügung stehe.
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Das Handy stresst
Dann hatte ich ein besonders krasses Erlebnis. Eine junge Patientin suchte mich wegen Schlafstörungen auf. Nachdem alle körperlichen und Laboruntersuchungen ausgewertet waren, verordnete ich ihr eine Ordnungstherapie und pflanzliche Medikamente. Nach vier Wochen kam sie erneut in die Sprechstunde und teilte mir mit, dass sich nichts geändert habe. Allerdings habe sie auch keine der empfohlenen Therapien angewendet. Ich redete ihr gut zu, und sie versprach die Therapie nun durchzuführen. Bei der nächsten Konsultation klagte sie darüber, dass sie weiterhin zu wenig Schlaf bekäme. Ich konnte sie endlich dazu bringen, mir den Grund zu nennen. Ihr Handy lag neben ihr im Bett und alle paar Minuten, auch mitten in der Nacht, bekam sie Nachrichten und Anrufe, die natürlich sofort beantwortet werden mussten. Hier war eine völlig andere Therapie von Nöten. Dies machte mir aber noch einmal deutlich klar, dass ich etwas dazu beitragen musste, auf diese Problematik hinzuweisen.
Handyverbot in der Praxis
Dann kam der Tag an dem ich es satt hatte. Ich selber lebe weitgehend ohne Handy und mochte mich nicht tagaus tagein von den Handys meiner Patienten verstrahlen lassen. Die ignorante Haltung der Patienten mir und ihren Mitmenschen gegenüber tat das ihre dazu. Das Handyverbot trat auf den Plan und die Hölle brach aus.
Nun war mein Rückgrat gefordert. Es ist nicht einfach, sich einer solchen Diskussion zu stellen. Ich blieb hart und wurde systematisch unterwandert.
Das Handy ist ja aus, ich spiele nur Karten. Sind wir vier Jahre alt und im Kindergarten?
Ich muss für meine Kinder erreichbar sein, die kommen bald aus der Schule. Wie sind wir nur groß geworden ohne solche fürsorglichen Eltern?
Wenn ich nicht für meine Kunden, meinen Chef erreichbar bin, kann ich die teure Therapie nicht mehr bezahlen. Wenn sie sterben, dann brauchen sie die teure Therapie nicht mehr zu bezahlen!
Ich kam mir vor, wie ein Dompteur in der Arena. Teilerfolge gab es aber durchaus. Manche Patienten ergriffen die Chance und lernten ihre Mitpatienten kennen. Manchen fiel es wieder auf, wenn jemand wegblieb. Erstaunlich ist, dass diese Patienten schneller gesund wurden, da sie bereit waren, aus dem selbst erzeugten Stress, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, rauszutreten.
Heute
Mittlerweile bin ich so weit, dass ich die Patienten darauf hinweise, dass ich es gerne sehe, wenn das Handy aus bleibt. Ich habe ihnen aber die Verantwortung für ihr tun zurückgegeben. Für die Konsequenzen müssen sie selber einstehen. Sei es, dass sie einen weiteren Termin buchen müssen, um die Diagnose oder Therapie noch einmal erklärt zu bekommen, dass sie einsam zwischen vielen netten Mitpatienten sitzen, oder die Auswirkungen auf ihre Gesundheit.
Lebe im Hier und Jetzt und heile!
Stelle Dir die Frage, wie viel von Deinem empfundenen Stresserzeugst Du selbst? Ist es wirklich nötig, beim Arzt, Heilpraktiker, Masseur, im Urlaub, beim Essen oder auf der Toilette erreichbar zu sein? Hast Du nicht eher das Gefühl, Du könnten etwas verpassen? Verpasst Du nicht gerade deshalb alles?
Wenn Du in Deinem Leben Angst, Unruhe, Hetze spürst, dann liegt die Lösung sicherlich nicht darin, dass Du Deine Betriebsamkeit noch steigerst. Tust Du das dennoch, droht im besten Fall ein Burnout, im schlimmsten Fall der totale Zusammenbruch.
Wenn Du durch Deine Lebensweise in eine ernsthafte körperliche Krise gerutscht bist, oder sogar eine lebensbedrohliche Erkrankung entwickelt hast, kannst Du diese nicht durch noch mehr Leistungsdruck und Effizienz überwinden.
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, was Deine körperliche Erkrankung mit meiner Handygeschichte zu tun hat. Sehr viel, denn nervöse Unruhe, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Migräne, Magengeschwüre, Blähungen durch stressbedingte Leberüberlastung, Darmentzündungen, Asthma, unruhige funktionelle Herzbeschwerden, Aufmerksamkeitsdefizite und chronische Müdigkeit, ja sogar Krebs, stehen mit einer psychischen Überlastung in engem Zusammenhang.
Mut zum Ausstieg
Niemand verlangt von Dir, dass Du von heute auf morgen aus Deine eingefahrenen Gewohnheiten ausbrichst. Nein, Du musst auch nicht so seltsam werden wie ich. Dennoch überlege Dir genau, wie Du Dein Leben vereinfachen und entschleunigen kannst. Übernimm wieder das Ruder in Deinem Leben.
Nimm Dir Zeit für Deine Bedürfnisse. Schalte Dein Handy auch einmal aus.
Du brauchst Hilfe dabei, nichts lieber als das! Vereinbare einfach ein 30- oder 60 minütiges Beratungsgespräch in meiner Praxis. (Tel. Nr. 02771-833434 oder per Mail: annette.pitzer@gmx.de).
Du wohnst zu weit weg, oder hast keine Zeit in die Praxis zu kommen. Kein Problem ich biete diese Beratungsgespräche auch telefonisch an.
Ihr Beitrag ist sehr wichtig! Mich wundert seit Jahren, dass die BZgA Aufklärungskampagnen zum Thema Alkohol- oder Spielsucht flächendeckend und kostspielig veröffentlicht – nicht aber zum Thema Smartphone-Sucht.
Mittlerweile halte ich die Handy-Sucht für wesentlich weiter verbreitet, als so manch andere Suchterkrankung. Die Folgen für die Zukunft dürften reichlich Stoff für Sciencefiction-Romane bieten…
Hallo Herr Tippenhauer,
das sehe ich genauso. Allerdings nehmen, aus meiner Sicht, auch alle anderen Süchte zu. Aufklärungskampagnen sind nur Makulatur, denn auf der anderen Seite wird, viel lauter, über z.B. die Legalisierung von Drogen diskutiert. Eine verhängnisvolle Entwicklung.
Viele Grüße
Dr. Annette Pitzer
Nicht nur die Tatsache des vermeintlich immer erreichbar sein müssens belastet, sondern auch der E-smog, wenn das handy insbesondere mit der flatrate des Internets bzw WLAN neben einem liegt in der Nacht. Dann kann der Körper nicht mal mehr nachts entspannen und sich regenerieren.
Ich selber schalte mein Handy im meinem Unternehmen aus und dies färbt auch irgendwie auf meine Mandanten ab. Sobald diese zu mir kommen, schalten sie es entweder aus oder, falls sie einen dringenden Anruf erwarten , auf Vibration. Ich habe auch im Fernsehen darüber einen Beitrag gesehen, dass in einer englischen Schule alle Schüler ihre Handys am Eingang zur Schule abgeben müssen. Zu Anfang dachten die Schüler sie würden sterben aber nun sagen sie selbst es ist besser, sie können den Unterricht besser folgen und die sozialen Kontakte sind auch wieder besser.
Hallo Annette, ein ganz toller Beitrag, Danke! Bist du in deiner Praxis Vorreiter fürs Handyverbot oder ziehen deine Kollegen nach? Dieses dauernde Handy-Gucken macht uns Menschen krank, ich komme nicht ganz davon los, aber ich schaffe es zunehmend, dieses Ding beiseite zu legen und bin da sehr stolz drauf. Weiter so 🙂 liebe Grüße Bettina
Liebe Bettina,
es ist mir ja nicht gelungen das Verbot durchzusetzen. Ich selber besitze erst seit 6 Wochen ein Handy. Das nehme ich aber nie mit in die Praxis.
Alles Liebe
Annette
Ich finde auch, dass man viel zu viel Zeit am Handy verbringt! Aus Gewohnheit? Aus Faulheit? Es gibt sicher genug Gründe! Gerade jetzt am Wochenende lass ich es gern mal aus, schalte das WLAN ab und bin unerreichbar! Ist mal ein schönes Gefühl!
Liebe Grüße
Jana
Liebe Jana,
ja, das nennt man Freiheit.
Alles Liebe
Annette
Liebe Annette,
so ganz ohne Handy möchte ich einfach nicht mehr sein. Aber es ist nicht meine Lebensmittelpunkt und wird abends grundsätzlich ausgeschaltet. Generell nutze ich es recht wenig, finde es aber gerade unterwegs sehr praktisch.
Liebe Grüße
Mo
Liebe Mo,
mittlerweile habe ich auch eins. Brauche es aber nur für die Bankgeschäfte.
Alles Liebe
Annette
Das ist ein wunderbarer Artikel 🙂
Mir hat besonders der Gedanke gefallen , dass man alles verpasst aus Angst etwas zu verpassen
Mir tun all die kleinen Kinder leid, die von ihren Müttern nicht mehr angesehen werden, weil diese so mit ihren Handys beschäftigt sind …
Liebe Grüße,
Monika
Liebe Monika,
mich schmerzt es so wie Dich, wenn Kinder hinter dem Handy zurückstehen müssen.
Alles Liebe
Annette